Prüfung von Korruptionsermittlungen gegen Bundesfinanzminister Christian Lindner - eine medienrechtliche Perspektive
Der Artikel des Tagesspiegels vom 8. Januar 2023, in dem die Berliner Staatsanwaltschaft erwägt, ein Ermittlungsverfahren gegen Finanzminister Christian Lindner einzuleiten, hat für großes Aufsehen in den Medien gesorgt. Dieser Umstand verdeutlicht die Gefahren, die mit voreiligen Ankündigungen staatlicher Strafverfolgungsmaßnahmen einhergehen können.
Wie der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 30. Oktober 2012 (Az. VI ZR 4/12) dargelegt hat, besteht die Gefahr, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit einem Schuldbeweis gleichsetzt und im Falle einer späteren Einstellung des Verfahrens oder eines Freispruchs "etwas hängen bleibt". Diese Gefahr ist in diesem Fall bereits eingetreten, wie die Reaktionen in den sozialen Medien und in der Presse zeigen, auch ohne dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde.
Eine Sprecherin der Berliner Staatsanwaltschaft betonte, dass die Erwähnung eines möglichen Ermittlungsverfahrens lediglich Teil der üblichen Vorprüfung von Abgeordnetenfällen im Hinblick auf deren Immunität sei und keine Aussage über das Vorliegen eines Anfangsverdachts verbunden sei. Trotzdem hat die Berichterstattung dazu geführt, dass das Ansehen von Finanzminister Lindner in der Öffentlichkeit beeinträchtigt wurde.
Dieser Fall verdeutlicht die Wichtigkeit, staatliche Strafverfolgungsmaßnahmen grundsätzlich mit der gebotenen Zurückhaltung und unter Einhaltung der Grundsätze der Verdachtsberichterstattung bekannt zu geben. Diese Grundsätze wurden in den letzten Jahren durch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung immer wieder hervorgehoben und sollten von staatlichen Stellen sorgfältig beachtet werden.
Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht
Christian Keßler
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