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Familienrecht: Unterhalt des Ehegatten und das Verhältnis zum Naturalkindesunterhalt

Zur Berücksichtigung eines nicht gedeckten Naturalkindesunterhaltsbedarfs bei der Bemessung eines Ehegattenunterhaltsanspruchs hat der 7. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Beschluss vom 09.06.2022, Aktenzeichen 7 UF 77/21, in Anlehnung an eine Entscheidung des BGH aus 2021, eine interessante Entscheidung getroffen, deren amtlicher Leitsatz wie folgt lautet:

„Bei der Berechnung von Ehegattenunterhalt ist der Naturalunterhalt, den ein betreuender Elternteil aus eigenen Einkünften für die gemeinsamen, bei ihm lebenden Kinder aufbringt, vor der Berechnung der Unterhaltsquote von seinem bereinigten Nettoeinkommen in Abzug zu bringen. Die Höhe der Abzugsposition ergibt sich rechnerisch aus der Differenz zwischen dem aus den beiderseitigen Einkünften ermittelten Barbedarf der Kinder einerseits und dem vom barunterhaltspflichtigen Elternteil aufgebrachten Unterhalt andererseits.“

 

Die Entscheidung ist damit äußerst praxisrelevant und sollte gerade bei einem geringer verdienenden Ehegatten, der die Kinderbetreuung nach erfolgter Trennung weit überwiegend erbringt, bei der Ermittlung eines  Ehegattenunterhaltsanspruchs Berücksichtigung finden. Der rechtliche  Hintergrund der Entscheidung soll daher nachfolgend kurz umrissen werden:  Praktizieren die Eltern das Residenzmodell, lebt das Kind also im Haushalt eines Elternteils und wird dort betreut/versorgt, so leistet der betreuende Elternteil seinen Unterhaltsanteil üblicherweise durch die Betreuungs- und Versorgungsleistung (sog. Naturalunterhalt), wohingegen beim anderen Elternteil sog. Barunterhalt, also Unterhalt in Form von Geldzahlungen, in Frage kommt. Bei einem barunterhaltspflichtigen Elternteil ist dabei der Barbedarf des minderjährigen Kindes aufgrund des von diesem Elternteil erzielten Einkommens zu ermittelt. Dieser Barbedarf stellt aber häufig nicht den vollen Bedarf des Kindes dar, da sich dieser bei minderjährigen Kindern, insbesondere mangels eigenem Einkommen, grundsätzlich nach der Lebensstellung der beiden Elternteile und damit auf Basis der zusammengerechneten Einkünfte beider Eltern bemisst. Es verbleibt daher nicht selten ein nicht durch den Barunterhalt gedeckter Restbedarf. Letztlich trägt diesen ungedeckten Bedarf dann der nicht-barunterhaltspflichtige andere Elternteil. Um dieser Belastung beim Ehegattenunterhalt Rechnung zu tragen, hat das OLG Frankfurt mit Beschluss vom 09.06.2022 entschieden, dass bei der Praktizierung eines Residenzmodells zu Gunsten des betreuenden Elternteils ein ungedeckter Naturalkindesunterhaltsbedarf in Abzug zu bringen ist.

Dieser abzuziehende Bedarf bemisst sich nach der Differenz des (fiktiven) Zahlbetrages nach der Düsseldorfer Tabelle (aus dem gemeinsamen Einkommen der beiden Elternteile) einerseits und dem von dem barunterhaltspflichtigen Elternteil nach seinem eigenen Einkommen zu zahlenden geringeren Barunterhaltsbetrag andererseits.

Die Entscheidung führt also zu einer Reduzierung des Einkommens des naturalunterhaltspflichtigen Elternteils, was wiederum zu einer Erhöhung des Ehegattenunterhaltsanspruchs dieses Elternteils gegenüber dem barunterhaltspflichtigen Elternteil führen kann. Insbesondere für den die Kinder überwiegend betreuenden und versorgenden Ehegatten kann daher eine entsprechende Berücksichtigung dieser Rechtsprechung sinnvoll sein.  

 

Vincent Linke

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Familienrecht

 

[Die vorstehenden Ausführungen erfolgen nicht im Rahmen eines konkreten Vertragsverhältnisses, stellen ausdrücklich keine Rechtsberatung dar und können eine Rechtsberatung auch nicht ersetzen. Der obige Text dient lediglich der Information und kann jederzeit ohne vorherige Ankündigung geändert oder gelöscht werden.

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Weitere Informationen

Veröffentlichung

Fr, 03. Februar 2023

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