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Familienrecht: Die schweizer AHV bei der Scheidung in Deutschland

Gerade im Grenzbereich zur Schweiz stellt sich bei der Scheidung vor einem deutschen Gericht häufig die Frage, wie sich die in der Ehe erworbenen schweizer AHV-Anrechte des einen Ehegatten auswirken, wenn der andere Ehegatte lediglich Versorgungsanrechte im Inland, also in Deutschland, erworben hat.

Hier lohnt ein Blick in § 19 Versorgungsausgleichsgesetz. Gemäß § 19 Absatz 2 Nummer 4 Versorgungsausgleichsgesetz sind Anrechte bei ausländischen Versorgungsträgern nicht ausgleichsreif, was wiederum gemäß § 19 Absatz 1 Satz 1 Versorgungsausgleichsgesetz bedeutet, dass insoweit ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht stattfindet. Hintergrund dieser Regelung ist, dass ausländische Versorgungsträger von deutschen Gerichten nicht verpflichtet werden können, den Ausgleichsberechtigten in das Versorgungssystem aufzunehmen oder das Anrecht extern auszugleichen (Bundestag Drucksache 16/10144, Seite 62).

Aber auch dann, wenn der Ausgleich des schweizer AHV-Anrechts des einen Ehegatten bei der Scheidung in Deutschland nicht durchgeführt wird, heißt dies nicht, dass dies bei der Scheidung nicht auch Auswirkungen auf den Ausgleich von Anrechten des anderen Ehegatten haben kann. Ein besonderer Augenmerk liegt hier auf § 19 Absatz 3 Versorgungsausgleichsgesetz, der bestimmt, dass, wenn ein Ehegatte nicht ausgleichsreife Anrechte nach § 19 Absatz 2 Nummer 4 Versorgungsausgleichsgesetz erworben hat, ein Wertausgleich bei der Scheidung auch in Bezug auf die sonstigen Anrechte der Ehegatten nicht stattfindet, soweit dies für den anderen Ehegatten unbillig wäre. Diese Regelung kann dazu führen, dass beispielsweise ausgleichsreife Anrechte bei deutschen Versorgungsträgern nicht oder nur teilweise bei der Scheidung ausgeglichen werden, um so ein unbilliges Ergebnis zu vermeiden. Eine solche Unbilligkeit kann u.a. insbesondere dann entstehen, wenn die Durchführung des Wertausgleichs bei der Scheidung wegen der Sperre des § 19 Absatz 2 Nummer 4 Versorgungsausgleich zu einem einseitigen Ausgleich ausschließlich der inländischen Anrechte eines Ehegatten führen würde.

Das Gericht hat eine Billigkeitsprüfung durchzuführen, nach der jeweils im Einzelfall festzustellen ist, inwieweit die Durchführung des Wertausgleichs bei der Scheidung für den Ehegatten, der über ausgleichsreife inländische Anrechte verfügt, unbillig ist (vgl. OLG Karlsruhe 5. Zivilsenat, Beschluss vom 16.01.2023 – 5 UF 58/22).

 

Abschließend sei angemerkt, dass die dargestellte fehlende Ausgleichsreife ausländischer Versorgungsanrechte zur Folge hat, dass ein Ausgleich des Anrechts bei der Scheidung nicht stattfindet. Das Anrecht bleibt dem Ausgleich nach der Scheidung (§§ 20 ff. Versorgungsausgleichsgesetz), dem  sogenannten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich, vorbehalten.

 

 

Vincent Linke

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Familienrecht

 

[Die vorstehenden Ausführungen erfolgen nicht im Rahmen eines konkreten Vertragsverhältnisses, stellen ausdrücklich keine Rechtsberatung dar und können eine Rechtsberatung auch nicht ersetzen. Der obige Text dient lediglich der Information und kann jederzeit ohne vorherige Ankündigung geändert oder gelöscht werden.

Der Verfasser übernimmt keinerlei Gewähr für die Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen. Haftungsansprüche gegen den Verfasser, welche sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die durch die Nutzung der dargebotenen Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Informationen verursacht wurden, sind grundsätzlich im weitest zulässigen Rahmen ausgeschlossen.]

Weitere Informationen

Veröffentlichung

Sa, 04. Februar 2023

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